Nach unserer unfreiwilligen Auszeit in Bozeman hatten wir die Hoffnung, Yellowstone noch einmal besuchen zu können, bereits aufgegeben. Gestern, am Freitag vor dem Memorial Day, konnte es zwar endlich weitergehen. Die für diesen Tag angekündigte Öffnung des Beartooth-Highways, der nordöstlichen, wunderschön kurvigen Zufahrtsstraße des Parks, war wegen des Wintereinbruchs allerdings auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Auch die Bandansage der Park-Hotline verhieß nichts Gutes, weitere Straßen des Parks waren demnach unpassierbar und gesperrt.
Notgedrungen bastelten wir uns ein Route um den Park herum, verließen nach dem Frühstück bei noch immer eisigen Temperaturen unser Hotel und stellten uns auf eine langweilige, ermüdende Interstate-Etappe ein. Wir waren gerade ein paar Minuten unterwegs, als ich ein Hinweisschild entdeckte, das auf eine Yellowstone Tourist Information bei der nächsten, wenige Meter entfernten Ausfahrt verwies. Ich funkte Matti an und wir verließen kurzerhand wieder den Freeway. Es stellte sich jedoch heraus, dass das Hinweisschild auf die (einzige) Touristeninformation im Park selbst verwies. Dafür entdeckten wir ein Gebäude des National Forest Service, in dem eine sehr freundliche Beamtin zwar auch keine genaueren Informationen hatte, uns aber ermutigte, es doch einfach mal zu probieren. Alla hopp, zur Not fahren wir die 60 Meilen halt wieder zurück. Eine gute Entscheidung, wie sich herausstellte: der Park war geöffnet, die Straßen geräumt, es gab nur wenig Regen und die Temperaturen betrugen anfangs zwölf, am Ende vier Grad. Nicht unbedingt Idealbedingungen, aber das Fahrerlebnis war dafür herausragend. Wir befuhren den Park über den North Entrance, folgten der Grand Loop Road vorbei an dampfenden Geysiren, heißen, bunten Quellen, schneebedeckten Hängen, dem teilweise noch zugefroren Yellowstone Lake und verließen den Park mit Blick auf den Sleeping Giant über die Serpentinen im Osten, folgten dem Buffalo Bill State Park und dem gleichnamigen Stausee bis zu unserem Tagesziel, der 1,5 Tausend Einwohner zählenden Kleinstadt Greybull.
Wir bezogen unsere Zimmer im 1916 erbauten „Historic Hotel“, wo wir auch unser Abendessen, u.a. bestehend aus frittierten „Sauerkraut balls“ (die nicht nur den Durst, sondern auch die Verdauung ordentlich anregten) einnahmen. Anschließend folgten wir den Klängen von irgendwo im Ort erklingender Live-Musik und mischten uns wenig später unter die Einheimischen im Silver Spur Saloon. Von den einen wurden wir argwöhnisch beäugt, mit anderen kamen wir nach kurzer Zeit ins Gespräch; einem ehemaligen Fluglotsen und Kriegsveteran, der mit steigendem Alkoholkonsum leider zunehmend aggressiv wurde, dem örtlichen Lehrer, dem hiesigen Zimmermann, dem in ganz Amerika wegen seiner landesweit verkauften „Smuckers“-Marmelade bekannten Farmer („Proove it, show them your ID“) und anderen, ähnlich bierseligen Gesellen wie uns. Leider eskalierte später die Situation mit dem Veteranen; ich versuchte noch zu schlichten, konnte eine kleinere Handgreiflichkeit aber nicht verhindern. Es war dann auch Zeit zu gehen.
Für die nächsten beiden Tage hatten wir nochmal eine richtige Motorradstrecke geplant, die letzte vor den Great Plains, dem weiten Flachland, in dem es dann immer nur noch geradeaus geht.
Heute, am ersten der beiden Tage kurvten wir durch den Big Horn National Forest. Es ging hinauf auf über 9000 Fuß; höher waren wir in all den Jahren in Nordamerika noch nicht gewesen. Es war eiskalt, beidseits der Straße lag noch tief Schnee. Wir waren fast allein unterwegs, und es war magisch, mit Worten fast nicht zu beschreiben. Im Zielort Sundance gab es keinen Liquor Store, Matti musste das Ankommbier im Pub, der „Turf Bar“, besorgen. Und versprechen, dass wir auf einen Schwatz mit den Einheimischen zurückkehren. Was wir natürlich taten. Und uns nach anfänglichem, unverfänglichem Small Talk mit Fragen nach unserer Sicht auf voter fraud, deep state oder den politisch motivierten Strafprozess gegen den besten Präsidenten aller Zeiten konfrontiert sahen.
Auch wenn die Bekanntschaften, die wir unterwegs machen, immer oberflächlich bleiben, bekamen wir erneut einen lebhaften Eindruck davon, wie gespalten dieses Land wirklich ist. Und wie die Anhänger des einen Lagers für die des jeweils anderen nichts als abgrundtiefe Verachtung empfinden.
Wir versuchen generell, in den Konversationen das Oberflächliche nicht zu verlassen und das Abdriften ins Politische zu vermeiden. Wir möchten uns nicht in innenpolitische Diskussionen verstricken lassen, weil uns als Besucher dieses Landes ein Urteil einfach nicht zusteht. Und so stehen wir oft da und schauen betreten drein. Und empfinden die Menschen trotzdem als umgänglich und gar sympathisch.
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