Sonntag,
27. Mai bis Dienstag, 29. Mai:
Die nächste große Stadt auf unserer Route ist Chabarowsk, vier Tagesetappen
entfernt. Wir beschließen, die Strecke in drei Tagen zu schaffen und damit noch
einen Reservetag für das Handling der Motorräder zu gewinnen. Das bedeutet, einmal
12 und zweimal 10,5 Stunden Landstraße. Die ziehen sich! Die Straße ist in sehr
gutem Zustand, die Landschaft nicht besonders abwechslungsreich.
Ortsdurchfahrten gibt es keine, selbst die Baustellendichte ist gering. Dafür
sind die Temperaturen hoch, es ist teilweise zermürbend. Der Hintern schmerzt
und insbesondere das Ziehen in der Schulter wird immer unangenehmer. Schuld
daran ist vermutlich die ergonomisch ungünstige Armhaltung aufgrund der für das
Stehendfahren hochgestellten Lenker. Außerdem macht uns mein Vorderreifen
Sorgen. Die Stollen sind nahezu komplett abgefahren, an Ersatz ist hier nicht
zu denken. Bis Wladiwostok sind es noch knapp 3000 Kilometer! Um den Reifen zu
schonen, fahren wir nun auch noch mit reduzierter Geschwindigkeit.
Unser
erstes Nachtlager finden wir in der Siedlung Jerofei Pawlowitsch, sechs
Pistenkilometer abseits der Hauptroute, direkt am Bahnhof der Transsibirischen
Eisenbahn. Wir gönnen uns ein „Deluks“-Zimmer (eigenes Bad) in einer
Unterkunft für Eisenbahner und Straßenarbeiter. Zum Abendessen verweist man uns
an die Stolowaja, die Eisenbahnerkantine. Wir sind zunächst unsicher, dürfen
wir hier überhaupt rein? Aber wir werden wie selbstverständlich bedient, es
gibt Borschtsch, die schmackhaftesten Frikadellen nach Mamas und Nudeln mit
Soß‘. Es ist total urig, und wir sind mittendrin.
Wir
folgen weiterhin der Transsib, der Lebensader der Region, deren langsam durch
die Taiga rollenden Güterzüge immer wieder in unser Sichtfeld kommen. Auch
unser nächstes Ziel, Belogorsk, verdankt seinen Aufschwung der Gründung der
Bahnstation Anfang des 20. Jahrhunderts. Als wir die Stadt nach Einbruch der
Dunkelheit erreichen, herrscht dort noch buntes Treiben. Es ist Jahrmarkt,
viele junge Menschen sind auf den Straßen. Die Atmosphäre ist sehr freundlich –
ganz im Gegensatz zu der Empfangsdame in unserem Hotel. So verdanken wir es auch
nicht ihr, sondern einem Anwohner, dass die Motorräder über Nacht auf einem
bewachten Gelände, und nicht auf der Straße, parken. Unserer Concierge war dies
zu organisieren wohl zu viel Aufwand gewesen …
…
ebenso wie die Zubereitung des Frühstücks am nächsten Morgen. Daher ziehen wir
zunächst mit leerem Magen von dannen. Es dauert noch zwei Stunden, bis wir den
ersten Rastplatz am Horizont ausmachen. Hier bekommen wir dann endlich unsere
allmorgendliche Kascha (Buchweizengrütze), Kaffee und mit Hähnchenhack gefüllte
Piroggen (da hat man den ganzen Tag was von).
Am
Abend erreichen wir dann endlich Chabarowsk. In die Stadt kommen wir über die 4
km lange Brücke über den Amur. Dessen Ausmaß ist so unglaublich, die Überfahrt dauert
eine schiere Ewigkeit. Später erzählt uns Google, dass der Amur bis zu 17.000
m³ Wasser pro Sekunde führt und immer wieder sein Flussbett ändert, mit geografischen
wie diplomatischen Auswirkungen auf den Grenzverlauf mit China.
Dank Mattis besonderem Status bei booking.com beziehen wir für zwei Tage das 5-Sterne-Hotel „Parus“; ein parkähnliches, ehemals herrschaftliches Anwesen direkt am Fluss. Standesgemäß speisen wir zu Abend in einem der besseren Restaurants im Stadtzentrum. Es gibt traditionelle russische Küche. Von der kokett in Tracht gekleideten Bedienung lassen wir uns überzeugen, dass extra Vorspeisen besonders gut zum Bier passen. Wir schließen Bekanntschaft mit dem am Nebentisch sitzenden Vizekonsul Japans und seiner Begleitung, sitzen irgendwann gemeinsam an einem Tisch und geben uns bierselig gegenseitig Leckereien aus; der Konsul Elchcarpaccio, wir den Wodka. Eine Stunde nach Ladenschluss verlassen wir das Lokal, die Mädels haben endlich Feierabend, und wir ziehen für einen Absacker an die Hotelbar.
Schön geschrieben, ich fahr gleich wieder mit. War vor 11 Monaten auch in der Stadt.
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