Freitag, 8. Juni 2018

Unendliche Weiten - BikeByBit 2018, Teil 6

Sonntag, 27. Mai bis Dienstag, 29. Mai: Die nächste große Stadt auf unserer Route ist Chabarowsk, vier Tagesetappen entfernt. Wir beschließen, die Strecke in drei Tagen zu schaffen und damit noch einen Reservetag für das Handling der Motorräder zu gewinnen. Das bedeutet, einmal 12 und zweimal 10,5 Stunden Landstraße. Die ziehen sich! Die Straße ist in sehr gutem Zustand, die Landschaft nicht besonders abwechslungsreich. Ortsdurchfahrten gibt es keine, selbst die Baustellendichte ist gering. Dafür sind die Temperaturen hoch, es ist teilweise zermürbend. Der Hintern schmerzt und insbesondere das Ziehen in der Schulter wird immer unangenehmer. Schuld daran ist vermutlich die ergonomisch ungünstige Armhaltung aufgrund der für das Stehendfahren hochgestellten Lenker. Außerdem macht uns mein Vorderreifen Sorgen. Die Stollen sind nahezu komplett abgefahren, an Ersatz ist hier nicht zu denken. Bis Wladiwostok sind es noch knapp 3000 Kilometer! Um den Reifen zu schonen, fahren wir nun auch noch mit reduzierter Geschwindigkeit. 

Unser erstes Nachtlager finden wir in der Siedlung Jerofei Pawlowitsch, sechs Pistenkilometer abseits der Hauptroute, direkt am Bahnhof der Transsibirischen Eisenbahn. Wir gönnen uns ein „Deluks“-Zimmer (eigenes Bad) in einer Unterkunft für Eisenbahner und Straßenarbeiter. Zum Abendessen verweist man uns an die Stolowaja, die Eisenbahnerkantine. Wir sind zunächst unsicher, dürfen wir hier überhaupt rein? Aber wir werden wie selbstverständlich bedient, es gibt Borschtsch, die schmackhaftesten Frikadellen nach Mamas und Nudeln mit Soß‘. Es ist total urig, und wir sind mittendrin.

Wir folgen weiterhin der Transsib, der Lebensader der Region, deren langsam durch die Taiga rollenden Güterzüge immer wieder in unser Sichtfeld kommen. Auch unser nächstes Ziel, Belogorsk, verdankt seinen Aufschwung der Gründung der Bahnstation Anfang des 20. Jahrhunderts. Als wir die Stadt nach Einbruch der Dunkelheit erreichen, herrscht dort noch buntes Treiben. Es ist Jahrmarkt, viele junge Menschen sind auf den Straßen. Die Atmosphäre ist sehr freundlich – ganz im Gegensatz zu der Empfangsdame in unserem Hotel. So verdanken wir es auch nicht ihr, sondern einem Anwohner, dass die Motorräder über Nacht auf einem bewachten Gelände, und nicht auf der Straße, parken. Unserer Concierge war dies zu organisieren wohl zu viel Aufwand gewesen …

… ebenso wie die Zubereitung des Frühstücks am nächsten Morgen. Daher ziehen wir zunächst mit leerem Magen von dannen. Es dauert noch zwei Stunden, bis wir den ersten Rastplatz am Horizont ausmachen. Hier bekommen wir dann endlich unsere allmorgendliche Kascha (Buchweizengrütze), Kaffee und mit Hähnchenhack gefüllte Piroggen (da hat man den ganzen Tag was von). 

Am Abend erreichen wir dann endlich Chabarowsk. In die Stadt kommen wir über die 4 km lange Brücke über den Amur. Dessen Ausmaß ist so unglaublich, die Überfahrt dauert eine schiere Ewigkeit. Später erzählt uns Google, dass der Amur bis zu 17.000 m³ Wasser pro Sekunde führt und immer wieder sein Flussbett ändert, mit geografischen wie diplomatischen Auswirkungen auf den Grenzverlauf mit China.

Dank Mattis besonderem Status bei booking.com beziehen wir für zwei Tage das 5-Sterne-Hotel „Parus“; ein parkähnliches, ehemals herrschaftliches Anwesen direkt am Fluss. Standesgemäß speisen wir zu Abend in einem der besseren Restaurants im Stadtzentrum. Es gibt traditionelle russische Küche. Von der kokett in Tracht gekleideten Bedienung lassen wir uns überzeugen, dass extra Vorspeisen besonders gut zum Bier passen. Wir schließen Bekanntschaft mit dem am Nebentisch sitzenden Vizekonsul Japans und seiner Begleitung, sitzen irgendwann gemeinsam an einem Tisch und geben uns bierselig gegenseitig Leckereien aus; der Konsul Elchcarpaccio, wir den Wodka. Eine Stunde nach Ladenschluss verlassen wir das Lokal, die Mädels haben endlich Feierabend, und wir ziehen für einen Absacker an die Hotelbar.


1 Kommentar:

  1. Schön geschrieben, ich fahr gleich wieder mit. War vor 11 Monaten auch in der Stadt.

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