Sonntag, 3. Juni 2018

Unendliche Weiten - BikeByBit 2018, Teil 3


Mittwoch, 23. Mai: Ich laboriere am Jetlag (bereits die dritte Nacht konnte ich nicht vor 4 Uhr einschlafen), und an den Piroggen. Zum Frühstück gibt’s Instant-Kaffee und Sahnetorte. Wir beladen die Motorräder und nehmen Kurs auf den Baikalsee. Die relativ kurze Fahrt führt uns in das kleine Dorf Gremyachinsk am Ostufer des Sees. Wir mieten uns in einer am Rande des Ortes frisch aus dem Boden gestampften Ferienanlage ein, deren Zielgruppe eher chinesische Touristen als einheimische Durchschnittsverdiener sind. Entsprechend ernüchternd ist der erste Eindruck. Wir spazieren ans Seeufer, rufen uns die Superlative, die der See bietet, ins Gedächtnis und finden unsere Fotomotive in dem ins Licht der untergehenden Sonne getauchten Ensemble von dörflicher Idylle und eigentümlich schwarzem  Seewasser. Auf dem Heimweg laufen wir unfreiwillig drei Einheimischen, vom Leben gezeichnet und nicht mehr ganz nüchtern, über den Weg. Wir fühlen uns nicht wohl und versuchen radebrechend, der Situation zu entfliehen. Dies gelingt nicht, stattdessen lassen wir uns überreden, ins Magasin zu gehen und Wodka, Speck und Brot zu kaufen. Wir dürfen einen kleinen Schluck mittrinken - und dann gehen.

Unendliche Weiten - BikeByBit 2018, Teil 2


Dienstag, 22. Mai: Aufgrund überfrorener Straßen verschieben wir die Abfahrt um zwei Stunden. Es ist immer noch eiskalt, als wir gegen halb zehn auf unseren schwer beladenen Rössern loseiern. Die ersten Meter sind wie jedes Jahr enorm gewöhnungsbedürftig, gefühlt sitzen wir das erste Mal auf einem Motorrad. Aber es dauert nicht lange, bis wir uns an unsere Gefährten gewöhnen und damit auch der Fahrspaß zurückkommt. Gegen 16:00 Uhr erreichen wir die mongolisch-russische Grenze, an der sich bereits eine lange Schlange gebildet hat. Glücklicherweise werden wir als Motorradfahrer von den mongolischen Beamten (wie übrigens später von den russischen auch) an allen anderen vorbeigewinkt, womit die gesamte Grenzprozedur gerade einmal rekordverdächtige drei Stunden dauert. 

Unser Dokument mit dem wichtigen richtigen Stempel löst hektische Betriebsamkeit aus und wir dringen bis in die Amtsstube des Senior Customs Officer vor. Und während wir da so sitzen, telefonieren mehrere Beamte gleichzeitig ganz angestrengt herum. Aber tatsächlich, alles scheint seine Richtigkeit zu haben, und wir dürfen mit den Mopeds die Mongolei verlassen. Ob wir tatsächlich auch unser Geld wiederbekommen, werden wir noch sehen. 

Auf russischer Seite ist der Stau ungleich länger, hier sitzt der Flaschenhals der gesamten Prozedur. Eine einzige Beamtin muss alle Zollformulare in den Rechner übertragen, während andere penibel die Fahrzeuge durchsuchen. Alle befinden sich im Vollstress, trotzdem werden wir ausgesprochen korrekt behandelt, bekommen sogar Hilfe beim Ausfüllen der Zollformulare. 

Die drei Hotels im Grenzort Kjachta sind bis auf zwei Betten in einem Schlafsaal ausgebucht. Auf Jugendherberge haben wir jedoch keine Lust und beschließen daher, die 250 km bis Ulan-Ude noch zu fahren. Auf halber Strecke setzt jedoch Regen ein und mit unseren funzeligen Scheinwerfern durch die unbefestigten Baustellen zu fahren, ist uns auf Dauer dann doch zu gefährlich. Wir finden in Gusinoozyorsk ein Hotel, in dem die Zimmer in Stunden abgerechnet werden. 

Wir müssen zunächst Geld abheben. Matti fragt: „Wie viel soll ich holen?“, ich antworte: „200“. Und meine damit Euro, Matti denkt aber bereits in Rubel und probiert sämtliche Automaten aus, um kurze Zeit später zu konstatieren, dass anstelle der 200 nur 5 (Tausend) ausgegeben werden. Wir sind in diesem Missverständnis gefangen, diskutieren über die lächerlich geringe feilgebotene Summe und heben schließlich beide an jeweils zwei Automaten den Maximalbetrag ab. Als uns endlich ein Licht aufgeht, haben wir 22T Rubel und damit bereits mehr als 300 EUR in der Tasche. Gut, dass wir die 200.000 nicht bekommen haben. Mit umgerechnet 2800 Euro hätten wir noch einige Urlaube in Russland verbringen können, puh.

Die Restaurants sind bereits geschlossen, wir müssen unser Abendessen im Supermarkt kaufen und entscheiden uns für in der Mikrowelle erwärmte Piroggen und Bier. An der Kasse schallt uns ein „Piwo netu“ entgegen. Es ist bereits nach 21:00 Uhr, da darf (uns) kein Bier mehr verkauft werden! Missmutig ziehen wir mit lauwarmen Piroggen und Mineralwasser von dannen. Abgeben wollen wir uns mit dieser Situation jedoch nicht. Unsere Rettung ist der eilig herbeigerufene Taxifahrer, der nicht nur in Rallyemanier über die unbefestigten Straßen der Stadt heizt, sondern auch weiß, wo es auch um diese Uhrzeit noch Bier gibt. 

Unendliche Weiten - BikeByBit 2018, Teil 1


Samstag, 19. Mai und Sonntag, 20. Mai: Mit der Aeroflot geht es über Sheremetyevo nach Ulan Bator, dort kommen wir am Sonntagmorgen, 6:00 Uhr Ortszeit, an. Das Oasis hält uns bereits ein Zimmer bereit und wir nehmen noch eine Mütze Schlaf. Gegen 12 Uhr endlich kommt Koji mit den ersehnten Mopeds und verrichtet noch letzte Arbeiten wie die Montage meines - selbstverständlich nur aus Gründen der Gewichtsreduktion aus Deutschland mitgebrachten - Auspuffs. Den Rest des Tages verbringen wir, um bei herrlichem Sommerwetter und Temperaturen von 26 Grad unser Gepäck zu sortieren und, als wir damit fertig sind, mit dem Konsum von Schnitzel, Bier und Anekdoten von Herbert, der jedes Jahr mit seinem ehemaligen Bundeswehr-Mercedes mehrere Monate in der Mongolei unterwegs ist.

Montag, 21. Mai: Eigentlich wollten wir heute bereits Richtung Norden aufbrechen. Hiervon hält uns jedoch nicht nur das Wetter, das wir gar nicht fassen können, ab. Die Temperatur ist um schlappe 24 Grad gefallen. Das Thermometer steigt heute auf maximal 2 Grad, am Nachmittag gibt es Schnee! Zudem müssen wir erneut zum Zoll, was, wie sich herausstellt, bis zum späten Nachmittag dauert. Wir wissen nicht, was da genau passiert; wir sitzen die meiste Zeit nur rum und spielen auf dem iPhone Doppelkopf, während Mogi - treppauf, treppab - von einem Beamten zum nächsten sprintet, bis endlich der richtige Stempel auf dem richtigen Formular (und dieses Mal nicht auf unserem Fahrzeugschein) sitzt. Uns wird versichert, dass es nun keine Probleme bei der Ausreise geben wird und alle Voraussetzungen für die Erstattung unserer Kaution von 800 € geschaffen wurden.

Unendliche Weiten - BikeByBit 2018, Prolog


Um es vorweg zu nehmen, die diesjährige Etappe war, bezogen auf die Fahrleistung, ziemlich ambitioniert. Von den insgesamt vier Wochen, die wir unsere Familien auch dieses Jahr wieder allein lassen (hierfür sind wir ausgesprochen demütig und dankbar), standen uns für die 4300 km durch Russland nur knapp zwei Wochen zur Verfügung. Der Rest der Zeit war für das Verschiffen nach und die Reise durch Japan sowie das Einlagern der Motorräder reserviert. 

Dieses Konzept hatte lange Etappen zur Folge, die sich zwar aufgrund der unglaublichen Entfernungen zwischen den Ansiedlungen in Sibirien ohnehin nicht hätten vermeiden lassen. Regelmäßig haben wir aber erst nach Einbruch der Dunkelheit eine Unterkunft gefunden. Die Muße, sich dann noch stundenlang an den Blog zu setzen, hielt sich in Grenzen, ebenso wie die Verfügbarkeit von WLAN. Daher kam ich mit dem Aufschreiben einfach nicht hinterher und konnte den Beitrag erst jetzt, nach unserer Ankunft in Wladiwostok, fertigstellen. Hieraus resultiert eine ziemliche Textfülle. Um das Ganze lesbar zu halten, haben wir entschieden, den Beitrag in mehrere Abschnitte zu unterteilen und mit den Fotos nach und nach einzustellen.

Vorbereitung:  Alles kam  anders als ursprünglich geplant. Wir mussten kurz vor der Abreise unsere Reisepläne komplett umwerfen. Als diesjähriges Etappenziel hatten wir Osaka auserkoren und die Reise auch bereits fertig durchgeplant; Fähre und Rückflüge waren gebucht, das Unterstellen der Motorräder organisiert, die Kfz-Versicherung für (und in) Japan abgeschlossen, das Carnet de Passage vorbereitet und die Vorfreude riesengroß. Uns war durchaus bewusst, dass der temporäre Import unserer Motorräder nach Japan eine bürokratische Herausforderung sein würde. Aber wir hatten uns umfassend informiert und waren guter Dinge, dass alles klappen würde. 

Aber Yuri Melnikov, der Ansprechpartner für alle Fernreisenden ex-Vladivostok, bestand darauf, dass wir unsere Unterlagen vorab von einer Vertreterin des japanischen Fährunternehmens auf ihre Vollständigkeit hin überprüfen lassen; was, wenngleich das Ergebnis ernüchternd war, letztlich ein ziemlicher Glücksfall war. Denn tatsächlich wären wir unerwartet an einer der vielen spitzfindigen Hürden gescheitert: Deutschland und Japan sind in den Jahren 1949 bzw. 1968 verschiedenen internationalen Übereinkommen über den Straßenverkehr beigetreten, und dadurch hat die Fahrzeugzulassung im jeweils anderen Land keine Gültigkeit. Deutschland erkennt die japanische Zulassung aus Kulanz trotzdem an. Japan tut dies mit unserer jedoch nicht, und somit wäre es nicht ohne Weiteres erlaubt gewesen, unsere Motoräder auf japanischen Straßen zu bewegen. Ein Ausweg wäre die Zulassung in Japan gewesen, Voraussetzung hierfür: eine „TÜV“-Vollabnahme. Aber da weder die hierfür erforderliche Zeit von einer Woche noch die Kosten von 4000 EUR in unser Budget passten, waren wir bereit, diese Vorschrift zu ignorieren und quasi illegal der aufgehenden Sonne entgegen zu cruisen. Wir waren schließlich nicht die ersten mit diesem Problem und – wie oben erwähnt – bestens informiert; der normale Verkehrspolizist würde sich mit der Vorschriftenlage nicht auskennen und sich bei einer Kontrolle mit der Übersetzung des Führerscheins und dem korrekt abgestempelten und vom JAF, dem japanischen ADAC, beglaubigten Carnet zufrieden geben. 

Denkste! Mittlerweile hatten die Behörden Wind von der Nummer bekommen, wir waren schließlich nicht die ersten. Und da sich der normale Verkehrspolizist immer noch nicht mit den Vorschriften auskennen würde, verbot man dem JAF ab diesem Jahr schlicht, deutsche Carnets zu beglaubigen. Und ohne beglaubigtes Carnet keine Zollfreigabe – und damit war Japan für uns plötzlich unerreichbar, wenige Wochen vor Abreise! Hektisch musste nun umgeplant werden. Für die Mopeds endet die Reise nun bei Yuri in Wladiwostok. Für sie geht’s dann im Juli im Container, für uns nächstes Jahr mit dem Flieger nach Vancouver und von dort aus weiter. Zugegeben, es gibt schlimmere Schicksale. Trotzdem, es wäre schon schön gewesen; zur Kirschblüte… 

So viel zur Vorrede, es folgt nun der Bericht der vergangenen zwei Wochen. 






Sonntag, 20. Mai 2018

Es geht wieder los!

*DE*
Wir sind gestern hier in Ulan Bator eingetroffen und seitdem mit den Vorbereitungen für die Weiterreise beschäftigt. Morgen stehen noch ein Besuch beim Hauptzollamt und letzte Abschlussarbeiten an den Motorrädern auf dem Programm bevor unsere nächste Etappe dann am Dienstag morgen endlich Richtung Norden losgeht.

Ich habe auch wieder einen Menüpunkt "position" oben eingefügt, wo man unseren Reisefortschritt verfolgen kann.

*FR*
On vient d'arriver à Oulan Bator hier matin et les préparations pour la prochaine étape sont en cours. Il reste encore quelques détails techniques à régler et sinon il y a aussi encore une visite au bureau des douanes à faire avant que notre voyage puisse continuer vers le nord mardi matin.

J'ai inséré à nouveau un élément au menu qui s'appelle "position" où on peut suivre notre progrès.

Samstag, 23. Dezember 2017

Total mileage 2017: 6356 km

Nach(züglerbei)trag

Es ist mittlerweile Tradition oder leider eher zur schlechten Angewohnheit geworden, dass der letzte Beitrag der Reise immer ein paar Monate auf sich warten lassen muss. Nun denn, wo waren wir noch gleich stehen geblieben?
Genau, am Terkhiin Tsagaan Lake, oder auch etwas weniger sperrig einfach nur Weißer See genannt.

Frisch ausgeruht starteten wir also guter Dinge nach unserem Pausentag vom Weißen See Richtung Ulan Bator. Eigentlich hatten wir zwei Etappen für die knapp 650 km bis zum Endpunkt der diesjährigen Reise vorgesehen, aber es sollte anders kommen. Kurz vor Erreichen unseres angepeilten Etappenziels Kharkhorin, der ehemaligen Hauptstadt des mongolischen Reichs, erreichte uns ein Anruf. Danach war klar, wir müssen noch am selben Tag bis Ulan Bator durchfahren. Grund war der Umstand, dass wir vor unserer Abreise noch im mongolischen Hauptzollamts vorsprechen mussten, um den Motorrädern zu ermöglichen, ein Jahr ohne uns in der Mongolei zu bleiben. Offensichtlich war ein Tag für dieses Vorhaben nicht ausreichend, somit blieb uns keine Wahl. Gesagt, getan.

Schnell noch Erdene Dsuu, das älteste buddhistische Kloster der Mongolei besichtigt und dann ging’s auch schon weiter. Von hinten kam unpassenderweise ein Unwetter angerollt. Zuerst war es « nur » ein Staubsturm und schon ziemlich beeindruckend. Nachdem aber der Straßenverlauf dann bald um 90° quer zum Wind gedreht hatte, kamen noch Blitz und Donner dazu und uns wurde ziemlich mulmig. Es fing dann natürlich auch an, wie aus Eimern an zu schütten und das war zusammen mit dem heftigen Wind von der Seite äußerst unangenehm. Nachdem wir eine Weile mit gefühlten 45° Schräglage bei gerader Strecke gefahren waren und der luv-seitige Stiefel voller Wasser gelaufen war, ergriffen wir die erstbeste Gelegenheit und flüchteten uns hektisch unter das Vordach eines verlassenen Hauses, um das Allerschlimmste abzuwarten. Dort gesellten sich irgendwann zwei australische KTM-Fahrer zu uns, so dass während dieser Zwangspause immerhin für Unterhaltung gesorgt war. Der Rest der Etappe war aufgrund des starken Windes zum Teil ziemlich unangenehm und der Staubsturm begleitete uns noch bis Ulan Bator, wo wir weit nach Einbruch der Dunkelheit eintrafen. Zur Belohnung standen wir dann am Ende noch eine Stunde durch die Stadt im Stau bis wir schließlich völlig erledigt bei unserer Herberge ankamen.

Die verbleibenden Tage waren den Zollformalitäten und der Wartung der Motorräder gewidmet und waren einerseits geprägt durch den kurzweiligen Aufenthalt im Guesthouse Oasis, wo man immer viele interessante Reisende trifft und andererseits durch die herausragende Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft von Mogi und Frank, einem befreundeten mongolisch-deutschen Paar. Mogi war so nett, sich zwei ganze Vormittage Zeit zu nehmen, um die Verhandlungen mit den Zollbeamten zu führen. Ohne die Hilfe mit ihren Mongolisch-Kenntnissen wären wir komplett aufgeschmissen gewesen. Abgerundet wurde das schließlich noch mit einer Einladung zu einer großen Feier in ihrem Haus, in deren Verlauf unter anderem ein ganzes Schaf aufgegessen wurde, bei ortsüblicher Getränkebegleitung versteht sich.

Ganz am Ende gab es noch ein großes Hallo, als Abi, der indische Motorradfahrer, den wir am ersten Tag in Osh getroffen hatten, im Oasis eintraf. Er war nach einem Rahmenbruch gezwungen gewesen, die Mongolei per Bus (mit dem Motorrad im Gepäckraum) zu durchqueren, um sein Motorrad in Ulan Bator reparieren zu lassen. Seine weitere Reise führte ihn dann später noch durch Russland, Europa, den Balkan und Nah-Ost zurück nach Indien. Mittlerweile ist er schon wieder zu Hause.

Die diesjährige Reise wird, was Vielfalt und Erlebnisse betrifft, wohl nur schwer zu übertreffen sein. Die atemberaubende Natur in Kirgisien, die Weite Kasachstans mit seinen kurzweiligen Straßenzuständen, die traumhafte Straße durch das russische Altai-Gebirge und schließlich die wilde Unendlichkeit der Mongolei haben diese Tour zu einem Erlebnis ohnegleichen gemacht. Wenn wir nächstes Jahr am Pazifik ankommen, lassen wir damit auch das Gebiet der ehemaligen Sowjetrepubliken hinter uns, deren kultureller Reichtum und enorme Ausdehnung uns ganz besonders begeistert haben. Das erfüllt uns jetzt schon etwas mit Wehmut. Aber als nächstes warten Japan und Nord-Amerika auf uns, das macht den Abschied etwas leichter.