Dienstag, 30. Mai 2023

Reizüberflutung

Unsere diesjährige Reise hat ein hohes Tempo. Vor allem gefühlt. Das ging schon los, bevor die ersten Kilometer überhaupt gefahren waren. Wenn ich anderen von den Plänen zu unserer diesjährigen Etappe erzählt habe, kam ich an vorderer Stelle immer auf den Umstand  zu sprechen, dass wir als An- und Abreise beinahe die komplette US-Westküste runter und auch wieder hoch fahren müssen. Man könnte also sagen, dass in den ersten Tagen das Bewusstsein das Sein bestimmt hat, um mal etwas verquer zu zitieren. Gehetzt war das beschreibende Wort, auf das Mario und ich uns geeinigt haben.

In diesem Zustand kamen wir am Grand Canyon an. Auf der 500 Kilometer langen Fahrt vom Monument Valley hatten wir quasi im Vorbeifahren noch den Antelope Canyon besichtigt und wurden so in kürzester Folge mit ganz unterschiedlichen, großartigen landschaftlichen Impressionen konfrontiert. Beim Blick in den Grand Canyon fand ich mich selbst dann irgendwie nicht angemessen genug beeindruckt und war darüber etwas irritiert. Immerhin handelt es sich um eins der bekanntesten Naturwunder. Ich vermute einfach mal, dass da ein Zusammenhang mit dem Reisetempo besteht.

Nach der Besichtigung des Canyons, die durch den quälend langsamen und leider unvermeidlichen Shuttlebus-Transport ziemlich in die Länge gezogen wurde, haben wir dann noch schnell die halbe Strecke bis  Las Vegas abgerissen. Einen Teil der Strecke sind wir in der Abendsonne über die alte Route 66 gefahren, das war für mich der erste Moment, in dem ich das Fahren so richtig genießen konnte und es nicht nur darum ging, möglichst schnell eine möglichst große Distanz zu überwinden.


Mit unseren übervollen Erlebnisspeichern kamen wir am Folgetag in Las Vegas an. Schon bei der Fahrt durch Downtown zum Hotel fiel es schwer, sich auf den Verkehr zu konzentrieren. Egal wohin man blickt, gibt es riesige Bildschirme, es blinkt und leuchtet und verschiedenste Musik kommt in enormer Lautstärke aus allen Richtungen. Was für ein Kontrast oder vielmehr Schock! Waren die Tage davor durch die Erhabenheit der Natur geprägt, gab‘s hier Zivilisation in besonders bizarrer Form. Eine energieverschlingende stadtgewordene Kirmes mitten in der Wüste. 


Wir hatten uns  in ein unglaublich riesiges Hotel eingemietet, irgendeins von den diversen Hiltons in der Stadt, und auf der Suche nach der Rezeption bin ich erstmal in meiner staubigen Motorradkluft durch den Casinoteil geirrt und musste schließlich einen Croupier nach dem Weg fragen. Selten habe ich mich so underdressed gefühlt.


Die Besichtigung von Las Vegas Strip war mehr eine Art Herumirren und wir zunehmend genervt. Der Lärmpegel, die Menschenmassen, die Hitze draußen und die Kälte drinnen, die unglaublichen Preise (zwei Flaschen Wasser im Starbucks 14$), irgendwie sind Las Vegas und wir an dem Abend keine Freunde geworden. Die Achterbahnfahrt war das herausragende Highlight, das Ding ging echt extrem ab. 


Am nächsten Morgen ergriffen wir, ohne uns nochmal umzudrehen, und ohne Frühstück die Flucht.


Diese Flucht führte uns durch eine mondartige Wüstenlandschaft und auch durchs Death Valley, das aber an dem Tag (zum Glück) nicht zu seiner Höchstform aufgelaufen war. Die Performance lag ungefähr im Bereich von sehr warmen Karlsruher Sommertagen, in Zahlen 38,5°C. Trotzdem kein Vergnügen in schwarzer Motorradkleidung. Ich hab kurzerhand einfach die Jacke ausgezogen. Warm war’s natürlich trotzdem.


Untergekommen sind wir im Anschluss in irgendeinem kleinen Nest, wo es uns abends in einen Saloon namens „The Patriot“ verschlagen hat. In Ermangelung an Alternativen und nach kurzer Beratung, ob bei dem Namen nicht vielleicht eher weniger wünschenswerte Gesellschaft anzutreffen sein würde, haben wir uns ganz mutig einfach reingetraut. Das Essen war überraschenderweise hervorragend, das Bier ebenso und je später es wurde, desto mehr verwandelte sich der Abend zu einer erstaunlich bunten Party. Es war richtig nett. Und wir blieben zu lange. 


Aus diesem Grunde kamen wir am nächsten Tag auch erst gegen Mittag los, hatten uns aber nur eher wenig Strecke vorgenommen. Die dafür aber umso schöner, ganz kleine Sträßchen durch den Sequoia National Forest, so dass es der erste richtig traumhafte Fahrtag wurde. 


































Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen