Samstag, 30. Mai 2015

Epilog

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Die Nachbetrachtung einer Reise, die nur drei Tage und 16 km dauerte:

1. Gesundheitszustand von Matthias

Matthias hatte sich bei dem Unfall einen komplizierten Bruch des Oberarmknochens zugezogen. Er wurde nach unserer Rückkehr im Städtischen Klinikum Karlsruhe erfolgreich operiert und am vergangenen Freitag aus dem Krankenhaus entlassen. Er ist jetzt noch einige Wochen krank geschrieben, wird aber wieder vollständig genesen. Das ist sicher die wichtigste Nachricht!

2. Unfallursache

Wir konnten uns den Unfall zunächst nicht erklären. Die Vorderradbremse von Matthias' XT hatte nach vorab ereignislosen 16 Kilometern urplötzlich beim Anbremsen vor einer Rechtskurve blockiert. Weshalb, das war nicht nachvollziehbar. Die Straße war sauber und trocken, die Geschwindigkeit angemessen, ein Fahrfehler nicht erkennbar. Auch ein technischer Defekt war unwahrscheinlich. Die Motorräder waren vor der Abfahrt vor einem Jahr komplett geprüft und gewartet worden. Sicher, sie hatten 11 Monate gestanden; eine solche Standzeit ist aber wiederum auch nicht ungewöhnlich. Als ich die Motorräder später mit unserem griechischen Freund Babis vom Krankenhaus zum "Winterquartier" überführte, blockierte die Bremse im Stadtverkehr von Thessaloniki  erneut - glücklicherweise folgenlos. Warum, das wissen wir weiterhin nicht. Wir haben viel im Internet recherchiert, es ist kein identischer Fall dokumentiert. Der Defekt bleibt somit rätselhaft, der Auslöser Spekulation.

3. Griechenland

Alles in allem können wir froh sein, dass es uns in Griechenland erwischt hat. Nicht auszudenken, wenn es irgendwo im wilden ...stan passiert wäre. Wenngleich wir am eigenen Leib erfahren mussten, was für die Menschen in Griechenland mittlerweile bitterer Alltag ist. Die Krise ist überall angekommen und offenkundig. Das Stadtbild in Thessaloniki ist geprägt von leer stehenden Wohnungen, Büroräumen und Firmengeländen. Die Arbeitslosenquote hat sich seit 2008 verdreifacht und beträgt mittlerweile 26 %. Denjenigen, die noch Arbeit haben, wurden die Gehälter mit einem Schlag um 40 % bis 50 %  gekürzt, der Mindestlohn hierfür herabgesetzt. Unsere Freundin Lina verdient jetzt als Lehrerin noch 800 EUR. Pensionen wurden komplett gestrichen. In den Supermärkten sieht man keine Menschen, wie auch - die Preise haben deutsches Niveau. Ärzte- und Lehrerstellen wurden drastisch abgebaut. Krankenhäuser mussten aufgrund des Sparzwangs ihre Notaufnahmen schließen, die Wartesäle sind voll. Viele Patienten gehen am Ende des Tages wieder nach Hause, ohne behandelt worden zu sein. Die medizinische Ausrüstung, auch in der Intensivmedizin, ist mangelhaft oder erst gar nicht vorhanden. Selbst für Nichtigkeiten wie Pflaster fehlt das Geld, da wird man schon mal mit einem Wattebausch und normalem Klebeband verarztet.

Griechenland braucht dringend Veränderungen, mit oder ohne den Euro, das wissen auch die Griechen. Ist diese Erkenntnis neu? Nein. Es war bereits vor dem Beitritt Griechenlands zum Euro hinreichend bekannt, dass die Beitrittskriterien nie und nimmer erfüllt werden. Das wurde über ein Jahrzehnt getrost ignoriert, die Einheit des Euroraums ging über alles und war die historische Leistung großer Volksvertreter. Erst mit AfD & Co. avancierte die Schuldenkrise zum Wahlkampfthema. Seitdem tönt es: "Sparen, sparen, sparen!". Nur bei einer Sache ist der Druck erstaunlich verhalten: Griechenland hat einen der größten Verteidigungsetats Europas, der ist trotz Schuldenkrise sogar stetig gestiegen. Vierzig Prozent der griechischen Militärausgaben gehen dabei in die Kassen deutscher Rüstungsunternehmen, dies macht 13 % der gesamten deutschen Waffenexporte aus. Auch das wissen die Griechen!

Schlechte Voraussetzungen, um als Deutscher in Griechenland auf Hilfe angewiesen zu sein? Theoretisch ja, praktisch - zumindest aus unserer Erfahrung - keineswegs. Die Hilfsbereitschaft und Generosität, die wir erfahren durften, war unglaublich groß. So groß, dass man, wenn man die deutsche Wehklagerei gewohnt ist, fast peinlich berührt ist. Ganz besonders hervorzuheben sind dabei nochmals Babis und Lina, die sich nach dem Unfall spontan freigenommen hatten, um ins Krankenhaus zu eilen und uns beizustehen, die die Verhandlungen mit dem Krankenhaus führten, die uns bei sich aufgenommen hatten, für die es selbstverständlich war, dass wir unsere Motorräder für ein weiteres Jahr in ihre im Umbau befindliche Garage stellten ...

4. ADAC

Denkt man an den ADAC, denkt man an gelbe Engel, Ambulanzflugzeuge und Lobpreisungen in der clubeigenen Presse. Entsprechend waren unsere Erwartungen, als wir als Plus-Mitglieder unseren Club um Hilfe baten. Das Ergebnis war ernüchternd. Unzählige Telefonate, die fast ausschießlich nur von uns ausgingen, waren gekennzeichnet von Bürokratismus, Kostenvermeidung, Hinhalten und Unverbindlichkeit. Es war für uns völlig akzeptabel, als zunächst die Diagnose von einem ADAC eigenen Arzt bewertet werden sollte, bevor die erforderlichen Maßnahmen festgelegt wurden. In unserem Fall passierte jedoch nichts. Matthias wollte aus nachvollziehbaren Gründen in Deutschland operiert werden, aber erst nach etlichen Telefonaten konnte irgendwann der Rücktransport vereinbart werden. Aber obwohl auf mehreren Flügen nachweislich Plätze frei waren, wurden wir so lange hingehalten, bis wir schließlich unsere Flüge selbst buchten und auch den Transport zum Flughafen selbst organisierten. Die Kostenübernahme wurde zwar zugesagt, Hilfe sieht aber anders aus.

5. Prolog

Es geht bald wieder los. Noch am Flughafen von Thessaloniki reifte der Plan, Urlaub zurückzugeben und die Tour im Spätjahr fortzusetzen. Neuer Abreisetermin ist der 1. Oktober. Wir haben gute zwei Wochen Zeit und uns vorgenommen, bis Georgien zu kommen. Dabei nehmen wir uns wesentlich mehr Zeit als ursprünglich geplant. Noch haben wir keine Unterstellmöglichkeit für die Motorräder gefunden. Aber das wird schon.





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