Mittwoch, 1. Juni 2016

Es ist heiß

Nicht dass das eine besondere Überraschung wäre. Aber es ist hier das alles überlagernde Gefühl, deswegen muss das an dieser Stelle einfach nochmal gesagt werden. Das öffentliche Leben kommt aus ebendiesem Grund zwischen zwei und fünf Uhr nachmittags quasi zum Stillstand.

Genau in diesem Zeitraum trafen wir in Kashan von Qazvin aus kommend ein. Da wir auf gut Glück, ohne eine Unterkunft zu reservieren, dorthin gefahren waren, staunten wir nicht schlecht, dass alle Hotels und Hostels vor Ort ausgebucht waren. In der Nähe fand offenbar irgendwo ein Rosen-Festival statt, und das hatte die Buchungszahlen anscheinend explodieren lassen. Das ursprünglich angesteuerte Guesthouse hatte nur noch zwei Betten in einem Schlafsaal frei, was wir natürlich empört ablehnten, wir sind ja schließlich nicht mehr 18! Nach einigem fruchtlosen Herumtelefonieren bei bereits erwähnten klimatischen Bedinungen akzeptierten wir dann aber schließlich doch kleinlaut das Angebot und bezogen unser Nachtlager, das immerhin einigen Charme zu bieten hatte. Den Rest des Tages nutzten wir noch, um die historischen Häuser der Stadt zu besichtigen.

Beim Frühstück am nächsten Morgen wurde dann fix eine Planänderung beschlossen, nachdem uns ein anderer Reisender von seinem Vorhaben berichtet hatte, zu einer Karawanserei in der nahegelegenen Maranjab-Wüste zu fahren. Das hörte sich doch spannend an! Die 45 km lange Schotterpiste, die dort hinführte, war anfangs zwar schon ziemlich grob und wellig, aber noch breit und gut zu fahren. Im weiteren Verlauf kamen aber immer häufiger sandige Passagen dazu, die mit den beladenen Motorrädern äußerst unangenehm zu fahren sind. Das Motorrad wählt dabei die Richtung selbst, was nicht immer zum gewünschten Ergebnis führt. Einige Umfaller später beschlossen wir umzukehren, so machte das einfach keinen Spaß. Der Rückweg verlief dann auch nicht ganz störungsfrei und so waren wir heilfroh, als wir wieder festen Asphalt unter den Rädern hatten. Nach einigen Kilometern fiel mir dann auf, dass Marios Motorradkoffer irgendwie auf halb acht hingen. Bei näherer Betrachtung stellten wir fest, dass sich bei den diversen Stürzen der ganze Kofferträger verzogen hatte. Es war aber noch alles dran, nur eben etwas schief, deswegen beschlossen wir einfach weiterzufahren. Aber dann, oh Schreck! Bei meinem Motorrad herrschte da, wo eigentlich das Nummernschild sein müsste, gähnende Leere. Wie das? Was tun? Suchen! Beten! Insgesamt kam dafür ein Streckenabschnitt von 50 km in Frage. Natürlich musste ich die komplette unbefestigte Strecke wieder zurückfahren. Und natürlich habe ich dabei nichts gefunden. Es war natürlich in der Wüste auch noch mal heißer als ohnehin schon heiß. Was ich jetzt brauchte, war ein Wunder! Ohne Kennzeichen würden wir vermutlich weder aus dem Iran herauskommen, noch in andere Länder weiterreisen können. Frustriert fuhr ich durch das ganze Sandgeeier zurück in Richtung des Treffpunkts mit Mario, der währenddessen den befestigten Teil der in Frage kommenden Strecke abgesucht hatte und mir schon per Handy mitgeteilt hatte, dass auch er nichts hatte finden können. Und plötzlich: das Wunder! Allah sei dank! Ich entdeckte am Pistenrand den Rahmen meines Kennzeichenhalters und nicht allzuweit davon entfernt mein deformiertes, schon mehrfach überfahrenes Kennzeichen. Die Wiedersehensfreude war riesig und wird noch den ganzen Rest der Reise andauern. Gut gelaunt fuhren wir zu unserem Tagesziel zweiter Wahl, einem pittoresken Bergdorf, wo ich gleich nach Ankunft sofort mein Nummernschild mit drei großen Schrauben bombenfest am Motorrad festschraubte. Uff.

Um einen möglichst vollständigen Eindruck der Länder, die wir bereisen, zu bekommen, wünschen wir uns, auch in Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung kommen zu können. Wenn man allerdings den ganzen Tag auf dem Motorrad sitzt und abends im Hotel absteigt, gibt es da wenig Berührungspunkte. Um genau diesem Problem zu begegnen, wurde die Internetplattform Couchsurfing erfunden, wo man bei Privatleuten unterkommen, beziehungsweise sich auch einfach nur auf einen Tee treffen kann. Nachdem wir auf dieser Seite öffentlich angekündigt hatten, dass wir nach Isfahan kommen, war das Echo überwältigend. Ich musste meine Anzeige nach zwei Tagen löschen, da wir mit Angeboten für Treffen nur so überhäuft wurden. Auch eine Unterkunft haben wir gegen ein kleines Entgelt auf diesem Weg in Isfahan finden können, die sich als charmantes Gebäude mit riesigem Innenhof entpuppte, wo wir zwei große Zimmer bezogen. Die folgenden zwei Tage mussten dann straff geplant werden, um den vielen Angeboten gerecht werden zu können. Isfahan ist außergewöhnlich schön, und wir mussten uns schließlich beinahe beeilen, um neben den zwischenmenschlichen auch noch mit den architektonischen Qualitäten der Stadt Bekanntschaft machen zu können. Besonders spannend an den Treffen mit den Couchsurfern ist, dass man nie weiß, was auf einen zukommt. Bis jetzt haben wir diese Treffen als außerordentliche Bereicherung empfunden und können uns gar nicht mehr vorstellen, ohne sie weiterzureisen.


1 Kommentar:

  1. Wirklich schön, dass euer Besuch dort so viel Anklang und Begeisterung bei den Ortsansässigen gefunden hat! Ich hatte auf Facebook auch Bilder von eurem Host gesehen, der ganz aufgeregt seine "Guests from Germany" beworben hat.
    Stark übrigens, dass du die neuen Löcher tatsächlich mit Handbohrer gebohrt hast, aber das Nummernschild ist ja zum Glück auch flach, anders als ein Lenkerrohr!
    Was ist das eigentlich für ein gebäude mit dem beeindruckenden Torbogen? Malerisch.
    Der Esel war mir sehr sympathisch.

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