Dienstag, 31. März 2015

Vor der Reise kam die Amtsstube

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Unser Abreisetermin rückte näher und näher und wir hatten bis gestern noch immer nicht alle bürokratischen Hürden genommen, was uns langsam etwas Kopfschmerzen bereitete.

Georgien und Armenien bereiteten uns bei unseren Reisevorbereitungen keinerlei Probleme, Griechenland und die Türkei sind diesbezüglich ohnehin keiner Rede wert. Auch unser diesjähriges Zielland, Kirgisien, scheint recht unkompliziert zu sein. Wir benötigen keine Visa, müssen uns bei oder nach der Einreise nirgendwo registrieren und erwarten auch sonst keine großen Schwierigkeiten.

Aber dann ...


Begonnen hatten wir mit Usbekistan: Für die Einreise ist ein Visum vorgeschrieben, dies wird nur erteilt, wenn eine Hotelbuchung nachgewiesen ist. Nach der Einreise muss das Hotel den Reisenden innerhalb von drei Tagen bei der Migrationspolizei registrieren.


Also – als erstes das Hotel gebucht, was über eine einschlägige Buchungsmaschine noch problemlos funktionierte. Als nächstes versuchten wir, den Online-Visaantrag auszufüllen, was zunächst leider immer nur mit einer Fehlermeldung quittiert wurde (ohne dass man erfuhr, worin der Fehler bestand). Irgendwann hatten wir aber das richtige Format gefunden, alle Sonderzeichen eliminiert, den Antrag erfolgreich versandt und eine Bearbeitungsnummer erhalten. Dann mussten nur noch alle Unterlagen ausgedruckt und mit den Pässen zum Generalkonsulat nach Frankfurt geschickt, die Visagebühr (120 EUR) auf das auf der Homepage angegebene Konto der Botschaft überwiesen und aufgeregt den kommenden Ereignissen geharrt werden. Mit der Bearbeitungsnummer konnte man den Status einsehen (was wir ca. zwei- bis dreimal täglich taten), und nach ca. zwei Wochen änderte sich dieser tatsächlich von „in Bearbeitung“ in „Visum erteilt“. 

Die erste Hürde schien genommen, für die nächste mussten dann nur noch unsere Pässe zurückkommen. Nachdem dies aber nach zwei weiteren Wochen immer noch nicht geschehen war, versuchten wir, den Verbleib telefonisch zu ergründen. Hierbei machten wir die (sich später noch häufiger wiederholende) Erfahrung, dass Anrufe bei Bediensteten von […]-stan nicht das ganz große Vergnügen sind. Egal, wen wir da bisher am Telefon hatten, der hatte chronisch schlechte Laune, im Gegensatz zu uns Anrufenden immer Recht und scheinbar den Verdacht, dass wir eigentlich nichts anderes im Sinn haben, als uns in niederträchtiger Weise in seinem schönen Land dauerhaft niederzulassen.


Zumindest erfuhren wir, dass die Pässe keineswegs auf dem Postweg verschollen waren, sondern noch sicher im Konsulat verwahrt wurden. Wir hatten nämlich die Visagebühr auf das (einzige auf der Homepage angegebene) Konto der Botschaft überwiesen. Die Visa wurden aber vom Generalkonsulat in die Pässe geklebt, und das wollte die Gebühr dafür selbst einstreichen. Und so lange ihnen das Geld nicht (erneut) überwiesen wurde, würde man eben die Pässe nicht herausrücken. Auf die Frage, was mit dem an die Botschaft überwiesenen Geld passiere, bekamen wir die lapidare Antwort, wir können ja versuchen, das zurück zu bekommen.


Die damit suggerierten Erfolgsaussichten hatten sich zunächst auch bewahrheitet. Sämtliche Kontaktversuche blieben zunächst unbeantwortet bzw. erfolglos. Das erste geglückte Telefonat Anfang Januar 2015 verlief wie oben geschildert; die Argumente reichten von „kann gar nicht sein“ über „Sie können ja mal die Buchungsabteilung anrufen, aber die sprechen nur russisch“ bis „2014 ist schon so lange her und der Rechnungsabschluss fertig, da können wir nichts mehr machen“. Wir waren schon so weit zu sagen: „Was soll’s, die Reise wird teuer genug …“, als umso überraschender nach dem fünften unbeantworteten Schreiben plötzlich die geforderte Gutschrift, abzüglich einer angemessenen Bearbeitungsgebühr Zwinker, in den Kontoauszügen auftauchte.


Weiter ging es mit Aserbaidschan. Das liegt eigentlich gar nicht auf unserer Route. Auf dieser müssen wir aber irgendwie am Kaspischen Meer vorbei. Geplant ist die Südumfahrung durch den Iran. Klappt die allerdings nicht – dazu später mehr – müssen wir mit der Fähre über das Kaspische Meer (im Norden ginge es durch Tschetschenien – und das ist nicht wirklich eine Option). Und die Fähre fährt in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, ab. Die Beantragung und Erteilung der Visa läuft ausschließlich online über in Baku ansässige Reisebüros, gegen entsprechende Gebühr, versteht sich. Das aber erstaunlich professionell und unkompliziert. An dieser Stelle nochmals herzlichen Dank an Ulvi Mammadov von BillurTur Travel.


Wir hoffen allerdings, dass wir dieses Visum letztlich nicht benötigen werden. Einerseits ist der Iran der erklärte Höhepunkt der Reise, andererseits brächte der erzwungene Umweg über Aserbaidschan nur neue Komplikationen mit sich.


Der kürzeste Weg nach Baku führt direkt von Armenien nach Aserbaidschan. Dieser bleibt uns aber versperrt, da sich diese beiden Länder wegen der Streitigkeiten um die Region Nagorny Karabach gerade nicht sonderlich mögen. Die Grenze, auch Waffenstillstandslinie genannt, ist nicht nur geschlossen, es kommt dort gemäß der Reisewarnung des Auswärtigen Amtes auch „immer wieder zu Schusswechseln, außerdem besteht Minengefahr“. Das heißt, wir müssen zunächst über Armenien zurück nach Georgien und dann „oben rum“ nach Aserbaidschan.


Die Fähre fährt laut Fahrplan täglich, tatsächlich aber in Abhängigkeit von der Auftragslage. Wartezeiten von mehreren Tagen sind die Regel. Man wird auf eine Warteliste gesetzt, bekommt aber keine Infos über das Abfahrtsdatum und muss daher täglich persönlich beim Ticket-Büro nachfragen. Der Platz auf der Warteliste ist abhängig vom Wohlwollen der Hafenbediensteten, das wiederum ist aber steuerbar Zwinker.


Schlussendlich dürften wir dann nicht nach Turkmenistan einreisen, da der dortige Hafen nicht der bei der Visabeantragung angegebene Einreiseort wäre. Wir müssten einen weiteren Umweg über Kasachstan in Kauf nehmen. Dort aber gibt es wenigstens keine Visapflicht.


Eine logistische Herausforderung ist der Iran. Für die Beantragung der Visa wird zunächst eine von einem iranischen Reisebüro bereitgestellte und vom iranischen Außenministerium genehmigte Einladung, eine sogenannte Referenznummer, benötigt. Ein solches Reisebüro findest du aber nicht mit Google, dafür heißt es, Reiseberichte nach entsprechenden Empfehlungen zu durchforsten. So sind auch wir fündig geworden. Wir haben mittlerweile mit Hossein einen sehr netten Facebook-Kontakt, der uns nicht nur ein Reisebüro nennen konnte, sondern auch angeboten hat, die für uns bis dahin zu hohe Hürde des Carnets de Passage zu nehmen. Das Carnet de Passage ist eine Art Zollpfand, das von verschiedenen Ländern, u.a. dem Iran, gefordert wird, um ein Fahrzeug vorübergehend zollfrei einführen zu können bzw. mit dem Zollforderungen bei nicht erfolgter Wiederausfuhr bedient werden können. Dafür muss bei einer dafür zugelassenen Stelle (in Deutschland beim ADAC) eine vom Fahrzeugwert abhängige Kaution (für uns mehrere Tausend Euro) hinterlegt werden, die uns erst dann wieder ausgezahlt wird, wenn der iranische Zoll die ordnungsgemäße Ausfuhr aus dem Iran und der deutsche Zoll die ordnungsgemäße Einfuhr in Deutschland bestätigt haben. Zumindest letzteres wird, wenn alles nach Plan läuft, nicht passieren, die Motorräder werden ihren Lebenszyklus in ca. 13 Jahren irgendwo in Argentinien beschließen.  


Laut Hossein gibt es aber einen legalen Weg, bei ihm bei der Einreise ein temporäres Carnet zu erstehen, das deutlich billiger wäre als die offizielle Version. Ob das funktioniert, wissen wir am 16. Mai am Grenzübergang Meghri.


Die Einladung hatten wir über das iranische Reisebüro Pars Tourist Agency beantragt, nach ca. 10 Tagen ging uns die Referenznummer des Außenministeriums per E-Mail zu. Das Visum selbst konnte frühestens 50 Tage vor Einreise beantragt werden, was angesichts der veranschlagten Bearbeitungsfristen nebst flankierenden Schließzeiten (und dem noch ausstehenden Turkmenistan-Visum) langsam eng wurde. Notwendige Unterlagen waren neben der erwähnten Referenz, biometrischen Lichtbildern (bei Frauen mit Kopftuch), einem Krankenversicherungsnachweis auch der Nachweis über eine Kfz-Versicherung. Da der Iran Mitglied im „Grüne-Karte-Abkommen“ ist, schien das zunächst das kleinste Problem zu sein.


Aber da hatten wir nicht mit der Kompetenz deutscher Versicherungsvertreter gerechnet. Von unserer Stammversicherung, der HUK, wussten wir bereits, dass sie den Iran nicht versichert. Der freundliche ADAC-Mitarbeiter hingegen erklärte uns telefonisch (nach Rückfrage bei seiner Fachabteilung), dass der Iran bei ihm selbstverständlich im Versicherungsumfang enthalten sei. Also haben wir bei der HUK gekündigt und sind zum ADAC gewechselt – für ca. eine Woche. Dann nämlich kamen die Versicherungsunterlagen. Da war plötzlich nicht nur die Prämie teurer als zuvor berechnet, auch der Iran war auf der Grünen Karte fett durchgestrichen. Was sich da wann und warum geändert hatte, konnte uns keiner erklären.


Glücklicherweise schien man sich aber bei der Dachorganisation der nationalen Kfz-Versicherer, dem „Grüne-Karte-Büro“, auszukennen. Demnach gäbe es nur noch ganz wenige Versicherer, die den Iran versicherten, nämlich die Allianz, die Sparkassenversicherung und die – noch nie gehört – Schwarzmeer und Ostsee Versicherung. Die Allianz ist um die Ecke, der Termin schnell gemacht. Die junge Dame, bestens geschult, saß wenig später bei uns zu Hause und bevor wir den Versicherungsantrag stellen (und das nebenbei beworbene Rundum-Sorglos-Paket dankend ablehnen) konnten, rief auch sie noch zweimal extra bei ihrer Fachabteilung an. Aber man glaubt es nicht, als wenige Tage später die Versicherungsunterlagen eintrafen, war auch in denen der Iran gestrichen. Bei den anderen beiden haben wir es dann gar nicht mehr probiert, ADAC und Allianz sind widerrufen und wir zurück im warmen Schoß der HUK. Hossein wird’s richten.


Der organisatorische Super-GAU war und ist Turkmenistan. Eigentlich wollen wir uns da nur zwei Tage aufhalten und benötigten (und bekamen bestenfalls) auch nur ein Transitvisum. Dafür brauchten wir aber ein Visaformular, ein Visa-Zusatzformular, ein formloses Schreiben an die Botschaft über Ziel, Zweck, Dauer und Weg der Reise, einen Nachweis darüber, wo die Reise beginnt und endet, Kopien der Flugtickets, Visa der angrenzenden Länder, Nachweis einer Hotelbuchung und, wenn’s doof gelaufen wäre, auch noch eine Einladung mit Zustimmung der Ausländerbehörde. Hotels waren von Deutschland aus schon mal nicht buchbar. Das funktioniert nur gegen Vorkasse bei einem turkmenischen Reisebüro, Storno ausgeschlossen. Die Beantragung der Visa selbst konnte erst zwei Monate vor der Einreise erfolgen, was ohne erteilte Usbekistan- und Iran-Visum aber zwecklos gewesen wäre. Bei der Einreise muss neben einer für Ausländer geltenden Kraftstoffzusatzsteuer noch eine Registrierungsgebühr entrichtet werden. Da wir nur zwei Tage bleiben wollen, bleiben uns zumindest die An- und Abmeldung beim Staatlichen Registrierungsdienst (ab drei Tagen) und ein AIDS-Test (ab drei Monaten) erspart.


Besonders schade wäre es natürlich, wenn wir – nachdem jetzt alle bürokratischen Hürden genommen wurden – an der iranisch-turkmenischen Grenze strandeten, nur weil unsere Motorräder nicht die richtige Farbe haben. Klingt absurd? Nach einem Artikel des Spiegels möchte die turkmenische Regierung, dass in Turkmenistan nur noch weiße Autos herumfahren. Andersfarbige müssen umlackiert werden oder ihnen wird die Inspektion, an der Grenze die Einreise verweigert. Aus Regierungskreisen will der Spiegel erfahren haben, dass nicht die persönliche Vorliebe des Präsidenten, eines ehemaligen Zahnarztes, Grund für die Entscheidung sei. Vielmehr sorgten dunkle Farben für verheerende Auswirkungen bei dem in Turkmenistan herrschenden subtropischen Wüstenklima.

Dann hoffen wir mal, dass sich die Auswirkungen dunkelfarbiger Motorräder auf das Weltklima in Grenzen halten. Sonst haben wir ein Problem, und das kann auch Hossein nicht richten.

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