Nach der Überfahrt von Neufundland ging es noch nicht direkt zum Endpunkt der Reise, der dieses Jahr Halifax war. Zuerst stand Cape Breton Island auf dem Plan – genauer gesagt: der Cabot Trail. Eine der legendärsten Motorradstrecken in der Gegend, und das völlig zu Recht. Großartige Ausblicke aufs Meer, enge Kurven, lange Anstiege und Abfahrten, raues Küstenland – fahrerisch und landschaftlich ein Traum. Für viele nordamerikanische Motorradfahrer sicher ein Sehnsuchtsort. Für uns: ein letztes herausragendes Highlight.
Danach folgten wir der Atlantikküste westwärts Richtung Halifax. Oft lag Nebel über dem Wasser, der die Landschaft still und wie entrückt erscheinen ließ. Dazwischen klare, sonnige Abschnitte, in denen alles plötzlich wie frisch gezeichnet wirkte. Links das Meer, rechts kleine Orte, offene Landschaft, mal ein paar Bäume, immer wieder Fischerboote am Horizont. Ein Panorama ohne große Dramatik, aber mit viel Weite und Ruhe.
Eine unserer letzten Übernachtungen verbrachten wir in einem Haus direkt am Meer. Vor dem Wohnzimmerfenster konnte man auf zwei Sesseln Platz nehmen und hatte den Blick frei auf dunkles Wasser, Nebel und absolute Ruhe. Eine mystische Stimmung, wie gemalt, an der wir uns kaum sattsehen konnten. Es gibt ja bei einer Reise immer Bilder die bleiben, das ist ohne Zweifel eines davon.
Danach hatte wir nur noch drei Tage, um die Küste rund um Halifax zu erkunden. Wir besuchten Peggy's Cove, ein malerisches Fischerdorf, das leider starke Symptome von der inzwischen weit verbreiteten Krankheit namens Overtourism zeigte und machten am Memorial des Swissair-Absturzes halt, der 1998 ganz in der Nähe stattgefunden hatte. Ein stiller Ort mit Blick aufs Meer, der sich nicht erklären muss.
Die letzten Kilometer genossen wir dann nochmal in vollen Zügen und ich ertappte mich beim Fahren dabei, wie ich schon anfing Kanada zu vermissen, bevor wir überhaupt abgereist waren. Unterwegs wurden wir immer wieder angesprochen. Die Aufkleber mit den Länderflaggen auf unseren Motorrädern erzählen mehr als wir je in einem Gespräch unterbringen könnten. Es gab wie immer viel Anerkennung und manchen leuchtete das etappenweise Reisekonzept so ein, dass man an ihren Augen ablesen konnte, wie sie anfingen zu träumen. Das tat gut. Unsere Wehmut galt im übrigen nicht nur dem Abschied von Nordamerika sondern auch unseren treuen, inzwischen etwas müden, Reisegefährten. Sie haben uns durch mehr als ein Jahrzehnt über ganze Kontinente um die Welt getragen, durch Kälte, Hitze, Pannen, Grenzen, Bürokratien, Landschaften und Geschichten. Und doch schob sich auf dieser letzten Etappe immer wieder ein Gedanke in den Vordergrund, der sich fast wie Verrat anfühlte: Wie schön wäre es, jetzt auf einem größeren, moderneren Motorrad zu sitzen. Mehr Leistung, weniger Vibrationen, besserer Windschutz, vielleicht sogar ein bisschen elektronischer Schnickschnack. Nach all den Jahren, all den Kilometern und der inzwischen deutlich spürbaren Patina unserer Maschinen ist der Wunsch nach etwas Neuem verständlich – aber eben nicht ohne schlechtes Gewissen. Die alten Motorräder haben nie aufgegeben. Sie haben mitgemacht, manchmal geächzt, aber durchgehalten. Dafür sind wir ihnen unendlich dankbar – und bringen sie jetzt wieder zurück nach Hause. Auch wenn das wirtschaftlich keinerlei Sinn ergibt.
Im Moment des Schreibens schaukeln die beiden übrigens gerade gemeinsam in ihrem Container auf einem Schiff über den Atlantik.
Somit ist das hier das Ende und gleichzeitig der Anfang von etwas Neuem. Ganz gemäß dem Reisekonzept. Wir freuen uns auf das, was noch kommt.
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